Was ist Zen?

Der Begriff Zen (chin. Chan) leitet sich aus dem Sanskritwort Dhyana ab und bedeutet frei übersetzt „Zustand meditativer Versenkung“. Der Zustand von Zen ist weder sichtbar noch greifbar. Wir können Zen nicht mittels Büchern studieren oder uns von Meistern erklären lassen. Man muss Zen selbst erfahren, so wie man eine Tasse Tee selbst schmecken muss. Erst in der persönlichen Erfahrung kann seine Wirkung erkannt werden.

Der Weg des Zen ist einfach zu beschreiben. Und doch ist es sehr schwierig, ihn wahrhaftig zu beschreiten. Hierzu müssen wir zur wahren Realität des Lebens erwachen und ein Leben voller Hingabe und Anteilnahme führen. Zum Leben erwachen zeigt sich in der Befreiung durch Weisheit. Ein Leben voller Hingabe und Anteilnahme zeigt sich in der mitfühlenden Sorge um andere. Erwachen und Hingabe erfordern die stete Praxis von Kozentration, Weisheit und ethischer Disziplin. Es geht um eine kontinuierliche Reinigung, die unser Handeln, Reden und Denken erfasst. Das alltägliche Leben ist das eigentliche Ziel der Zenpraxis: „Ein spiritueller Weg, der nicht in den Alltag führt, ist ein Irrweg“ (Willigis Jäger).

Die Praxis des Zen ist darauf gerichtet, innere Beschränkungen zu beseitigen und gegensätzliches Denken im Geist zu überwinden, um sich für das zu öffnen, was JETZT ist. Dadurch können wir das eigene Dasein von Grund auf neu erfahren, jenseits aller Verhaltensmuster und Konzepte. Indem wir aushalten und annehmen, was und wie wir sind, schließen wir Freundschaft mit uns selbst und mit den anderen. Der Friede der Welt beginnt in unserem Herzen.

Diejenigen, die Zen kultivieren, sollten schrittweise weniger Sorgen, mehr Weisheit und mehr kontemplative Gegenwärtigkeit haben. Sie müssen trainieren, nach innen statt nach außen zu schauen, und sich darauf besinnen, wie sie sich selbst statt andere am besten führen können.

Sitzen und Gehen in der Stille

Im Mittelpunkt der Zen-Praxis steht das Sitzen und Gehen in der Stille. Wir richten unsere Aufmerksamkeit auf den Atem oder auf diesen einen Schritt. So holen wir uns immer wieder in den gegenwärtigen Augenblick zurück und lauschen, was die Gegenwärtigkeit uns mitteilt. Wir nehmen Gedanken, Gefühle und Empfindungen wahr, aber wir folgen ihnen nicht.

Achtsamkeit

Durch Sitzen und Gehen in der Stille üben wir Achtsamkeit ein. Achtsamkeit ist absichtslose Aufmerksamkeit. Wir sitzen, weil wir sitzen, wir gehen, weil wir gehen, ohne uns verändern oder ein Ziel erreichen zu wollen. Dies fällt uns schwer, weil wir zutiefst anders konditioniert sind. In den Augenblick zurückzukehren, ist einfach. Doch in der Achtsamkeit zu verweilen, ist nicht leicht.

Seid ganz HIER und JETZT!

Der Weg beginnt immer mit diesem Schritt oder mit diesem Atemzug. Das Ziel ist immer HIER und JETZT.

Ein spiritueller Weg entsteht, indem man ihn einfach geht. Geduld und Disziplin entstehen durch kontinuierliche Praxis. Wollen wir gegensätzliches Denken und unsere inneren Beschränkungen überwinden, müssen wir gerade auch dann praktizieren, wenn alles dagegen spricht.

Der deutsche Theologe und Mystiker Johannes Tauler (1300–1361) hat den spirituellen Weg so beschrieben:

„Wenn der Mensch in der Übung der inneren Einkehr steht, hat das menschliche Ich für sich selbst nichts. Das Ich hätte gerne etwas und es wüsste gerne etwas und es wollte gerne etwas. Bis dieses dreifache ‚Etwas‘ in ihm stirbt, kommt es den Menschen gar sauer an. Das geht nicht an einem Tag und auch nicht in kurzer Zeit. Man muss dabei aushalten, dann wird es zuletzt leicht und lustvoll.“